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Cube-Hotels-Chef Rudolf Tucek fordert Punkteführerschein für Politiker – Travel Industry Club sorgt sich um Hausverstand in der Krise

(Wien, 22. November 2012) Der streitbare Hotelier und Touristiker Rudolf Tucek, Chef der Cube Hotels, hat am Mittwoch in Wien die Einführung eines Punkteführerscheins für Politiker gefordert, um der anhaltenden Vertrauenskrise in der Politik entgegenzuwirken. Wenn es für “politische Programme” – so wie für jedes Unternehmen in der Reisebranche – “Prospektwahrheit” gebe und Lügen strafbar wären, dann könnte man rasch wieder mehr Lösungskompetenz schaffen, sagte Tucek bei einem Vortrag vor dem Travel Industry Club (TIC) zum Thema “Die Krise und der Hausverstand”.

Rudolf Tucek, Chef der Cube Hotels, hat am Mittwoch in Wien die Einführung eines Punkteführerscheins für Politiker gefordert, um der anhaltenden Vertrauenskrise in der Politik entgegenzuwirken
Rudolf Tucek, Chef der Cube Hotels, hat am Mittwoch in Wien die Einführung eines Punkteführerscheins für Politiker gefordert, um der anhaltenden Vertrauenskrise in der Politik entgegenzuwirken

Tucek zog dazu den Vergleich mit der Wirtschaft. Während sich jeder Vorstand mit Falschaussagen im Aufsichtsrat strafbar macht, könnten Politiker ohne Konsequenzen Unwahrheiten verbreiten. Tucek forderte daher Kriterien für Politiker, ein eigenes Rechtsverfahren mit Videobeweis und Schöffengerichte zur Prüfung. Wer wiederholt gegen die definierten Regeln verstößt (Tucek sprach von fünfmal), dem ist der Führerschein zu entziehen, der muss zurücktreten. Vorteil: “Blöd reden würde sich sofort zu 50 Prozent reduzieren.”

 

Hintergrund der drastischen Forderung Tuceks war ein volkwirtschaftlicher Exkurs, in dem der Hotelier die Absurditäten der aktuellen Finanzkrise und die Erklärungs- und Lösungsversuche der europäischen Politik als “systemimmanente Schuldenprovokation” erklärte. 70 Billionen US-Dollar globaler Real-Wirtschaftsleistung stünden aktuell hunderte Billionen Dollar Umsätze an den Geldmärkten gegenüber, ein Großteil davon durch “Schattenbanken” getätigt. 80% des Primärmarktes werden derzeit von 20 Banken weltweit beherrscht. Und die Politik wolle das Vertrauen in solche Märkte zurückgewinnen? fragte Tucek.

Systemimmanente Schuldenprovokation
Die Krise sei eine Vertrauenskrise und die politische Lösungskompetenz nicht vorhanden. Er bezweifelte, dass man strauchelnde Staaten mit der Realwirtschaft retten könne oder dass man mit “realwirtschaftlichen Schuldenbremsen” Schulden bremsen könne. Die Schulden der Griechen seien in Wahrheit die Exporterfolge der Deutschen. “Wenn jetzt gespart werden muss, dann geht sich das ganze bald nicht mehr aus.” Die angekündigte Rezession muss ja kommen, wenn andere (Länder) nicht mehr kaufen können. Die Folge seien weniger Exporte, sinkende Preise, das fällt wieder auf die Wirtschaft zurück und ergibt mehr Arbeitslose.

Tucek warnte explizit davor, dass die frei verfügbaren Einkommen des Konsumenten weiter schrumpfen würden und plädierte an Politik und Sozialpartner, rechtzeitig zu handeln – die Arbeit (Lohnkosten) billiger zu machen, um die Kaufkraft der Bevölkerung zu heben. “Noch sind wir in einer guten Position, aber in Spanien und Griechenland brennen bereits die Straßen. Wir können uns von dieser Entwicklung nicht nicht abkoppeln. Wenn die Exportquoten fallen, haben wir die Krise im eigenen Land.”

Noch brummt der Tourismusmotor
Franz Hartl, Geschäftsführer der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT), gab sich in der anschließenden Podiumsdiskussion zuversichtlich, dass die heimische Tourismuswirtschaft stabil bleibt. “Wir haben uns bisher gut geschlagen, die Konsumenten sehen den Urlaub als notwendigen Bestandteil des Arbeitslebens.” Hartl sprach von weiteren Zuwächsen bei den Nächtigungen 2012, insgesamt habe die Tourismuswirtschaft auch ganz gut verdient. Die Verunsicherung habe bei den Reisenden jedoch zu erhöhtem Preisbewusstsein und einem sparsameren Umgang mit den Zusatzausgaben geführt. Probleme sieht Hartl auch bei der Ertragsschwäche der Tourismusbetriebe. Für die Zinsen gab er Entwarnung, die dürften bis 2015 niedrig bleiben.

Susanne Kraus-Winkler, Vizepräsidentin des Europäischen Hotel & Restaurant Dachverbandes Hotrec und Geschäftsführerin der Loisium Wein & Spa Resorts, berichtete von “kostenseitigen und Finanzierungsproblemen” bei den Betrieben. Aber das seien längst bekannte Themen. Die Finanzkrise selbst finde in den internationalen Gremien noch gar nicht statt. Generell gebe es vor allem in den USA und in Deutschland den Trend, den Urlaub im eigenen Land zu erbringen. Für 2013 wird derzeit ein gutes Jahr prognostiziert – “wenn nichts Dramatisches passiert”.

Josef Peterleithner, Konzernsprecher der TUI Österreich und Präsident des österreichischen Reisebüroverbandes, sprach in seinem Beitrag von einer Chance und einem Wendepunkt. “In der Reisebranche sind wir es gewohnt, mit Krisen zu leben. Wenn wir sie in der Vergangenheit nicht beherrscht hätten, gäbe es uns nicht.” Anhand einer Reihe von positiven Statistikdaten zeigte der Touristiker auf, wie gut Österreich derzeit da steht und erläuterte das Rezept gegen die Krise: “Wir machen unser Geschäft wie immer! Und wir entwickeln differenzierte Produkte für einen komplexer werdenden Markt.”

Der Travel Industry Club hat sich im Herbst als unabhängiges Netzwerk in Österreich etabliert und wendet sich an Entscheider und Macher im Tourismus. Ziel ist es, die Bedeutung der Reise- und Tourismusindustrie sichtbar zu machen und deren Wertschätzung in der Öffentlichkeit zu verbessern. “Zentrale Maßnahmen sind Forschung, Entwicklung und Nachwuchsförderung, also die wesentlichen Aspekte für den funktionierenden Tourismus für Morgen”, sagte TIC-Sprecher Harald Hafner in der Begrüßung im Hotel Meridien vor rund 100 Teilnehmern, viele davon von der Fachhochschule Wien. Die Moderation des Abend besorgte die Tourismus-PR-Fachfrau Charlotte Ludwig.