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Gezielter Abbau von Bürokratie: Wie der Mittelstand entlastet werden soll

Bürokratie

Bürokratie(Berlin, 17. Juni 2015) Gute Nachrichten aus dem politischen Berlin: Der Abbau von unsinniger Bürokratie wird grundsätzlich positiv gesehen. Dies wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Ausschusses für Wirtschaft und Energie deutlich, bei der es um den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie sowie um einen Antrag der Grünen zum gezielten Abbau von Bürokratie ging.

Im Gesetzentwurf ist unter anderem vorgesehen, mehr kleine Unternehmen als bisher von Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten des Handelsgesetzbuches und der Abgabenordnung zu befreien. Dazu sollen die Grenzbeträge für Umsatz und Gewinn um jeweils 20 Prozent auf 600.000 beziehungsweise 60.000 Euro angehoben und somit rund 140.000 Unternehmen um rund 504 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden. Existenzgründer sollen durch die Anhebung von Meldepflichten nach verschiedenen Wirtschaftsstatistikgesetzen von 500.000 auf 800.000 Euro später als bisher zum Ausfüllen von Wirtschaftsstatistiken herangezogen werden. Erstmals soll ein Schwellenwert von 800.000 Euro auch in der Umweltstatistik eingeführt werden. Zudem werden Meldeschwellen für die Intrahandelsstatistik angehoben und dadurch weitere Unternehmen von der Meldepflicht befreit.

Für die fünf Spitzenverbände der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft (BDA, BDI, DIHK, ZDH, Deutsche Kreditwirtschaft) sind bürokratische Lasten „nach wie vor“ eines der maßgeblichen Hindernisse für mehr Wettbewerbsfähigkeit und größere Innovationspotenziale. Dies gelte besonders mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen, heißt es in einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme. Die Verbände fordern den Bundestag auf, das Gesetzgebungsverfahren zu nutzen, um weitere Punkte zum Bürokratieaufbau aufzunehmen. Dazu würden unter anderem die standardisierte Entgeltbescheinigung, die Entbürokratisierung im Datenschutzrecht durch die Anhebung auf einen einheitlichen Schwellenwert, die Erhöhung des Schwellenwertes für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter und die Prüfung einer Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungsfristen.

Da die Regelungsdichte für Unternehmen in den letzten Jahren „erheblich“ zugenommen habe, sei eine spürbare Bürokratiereduzierung notwendig, heißt es weiter. Die „One in, one out“-Regel, bei der für jede neue Regelung eine alte Bürokratieregel wegfallen muss, könne positive Wirkungen entfalten, dürfe jedoch nicht den Status Quo legitimieren, schreiben die Verbände in ihrer Stellungnahme. Der tatsächliche Abbau von bestehender Bürokratie müsse prioritäres Ziel sein.

Barbara Adamowsky (DGB) begrüßte die Initiative der Bundesregierung grundsätzlich. Bürokratieabbau dürfe jedoch nicht zu einer Absenkung von sinnvollen Standards führen. Für den DGB greift der Entwurf insgesamt zu kurz, da bestehende Gesetze lediglich auf ihre Kosten hin überprüft werden sollen und lediglich die Entlastung für die mittelständische Wirtschaft im Fokus stehe. Die Gewerkschaft befürchtet, dass die Diffamierung des Begriffs Bürokratie zu einem politischen Klima beitrage, in dem die Regulierung und Normen- und Stellenabbau opportun werden und wichtige politische Entscheidungen und gesetzliche Regulierungen als prinzipiell unsinnig und unnötig abgetan werden. Ein hochentwickelter Rechtsstaat wie Deutschland brauche eine gute und funktionierende Bürokratie und eine Wertschätzung der Beschäftigen, die mit ihrem Vollzug betraut sind, heißt es in ihrer Stellungnahme. Bei der „One in, one out“-Regelung kritisiert der DGB, dass allein der Erfüllungsaufwand der Wirtschaft ermittelt werden soll, jedoch die
Be- und Entlastung für alle am Wirtschafts- und Erwerbsleben Beteiligten außen vor bleibe.

Johannes Heuschmidt, Hugo Sinzsheimer Institut für Arbeitsrecht (HSI), wies darauf hin, dass es grundsätzlich schwierig sei, zwischen sinnvoller und unnötiger Bürokratie zu unterscheiden. Bürokratie könne auch dazu beitragen, Kosten zu senken und sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Kritisch sah er die „One in, one out“-Regel, die das Potential habe, Gesetzgebung und soziale Innovationen zu verhindern. So wäre es mit dieser Regel nach seiner Meinung schwierig geworden, den Mindestlohn einzuführen. Es sei oft sehr schwierig, den Erfüllungsaufwand eines Gesetzes sicher abzuschätzen, betonte er.