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Strategien für mehr Sicherheit in Hotels

Überfallversuch auf Hotel: Täter mit Pistole und Messer wird abgewehrt

Von Hotel-Sicherheitsberater Florian Horn – Januar 2015

Überfallversuch auf Hotel: Täter mit Pistole und Messer wird abgewehrtEin Raubüberfall, eine Bedrohungssituation oder eine körperliche Auseinandersetzung – in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, so auch in Beherbergungseinrichtungen, wird schnell der Ruf nach technischen Lösungen und ein Ausbau der Videoüberwachung laut. Doch sind technisch-bauliche Maßnahmen immer eine Maßnahme mit der weitreichendsten Wirksamkeit? Welche Erkenntnisse sind aus der Kriminalprävention zu ziehen und welche Maßnahmen sind tatsächlich am effektivsten?

Immer mehr Raubüberfälle auf Hotels – Interview mit Ulrich Jander bei HOTELIER TV
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Das TOP-Prinzip stellt dem Hotelier grundsätzlich drei Möglichkeiten zur Prävention jeglicher Straftaten zur Verfügung: technisch/bauliche, organisatorische und verhaltensbezogene/personelle Maßnahmen. Geleitet von der öffentlichen Darstellung in der Presse und den Vertriebsmitarbeitern technischer Sicherheitsprodukte werden unüberlegt schnelle, teilweise kostengünstige technische Geräte und vor allem Videoüberwachungssysteme angeschafft.

Unterstützt von den berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzinformationen (ASI 9.02) entsteht ein Trend, der Videoüberwachung als Option zur Erhöhung der Sicherheit ansieht. Der Autor hat daher die Erkenntnisse aus Studien zur präventiven Wirksamkeit von Videoüberwachung zusammengetragen. Grundlage boten Studien aus Deutschland, Großbritannien und vor allem der Stadt London, in der das Einwohner-Videokamera-Verhältnis etwa 1:1,4 beträgt.

Signifikante Feststellungen einer Wirksamkeit konnten über alle Straftatsbereiche allein im Feld der Diebstahl- und Sachbeschädigungsprävention nachgewiesen werden. Zudem ist der Anwendungsbereich von Videoüberwachung vor allem  in sonst dunklen Bereichen wie z.B. Parkhäuser und Parkplätze am effektivsten. Straftaten, die mit Gewalt verbunden sind (Körperverletzungen/Raubüberfälle), konnten nachweislich nicht reduziert werden.

Die Abläufe der in den letzten drei Monaten in den Hotels stattgefundenen Raubüberfälle in Berlin bestätigen diese Ergebnisse. Der oder die Täter beobachten das Hotel und schlagen in den frühen Abendstunden – meist in der Spätschicht – zu, in denen sich – mit bestimmten Ausnahmen – keine Gäste in der Hotellobby aufhalten. Sie konnten in allen Fällen das Hotel ungehindert betreten und verlassen. Überfälle in der Nacht umgingen ebenfalls bauliche Maßnahmen: Täter gaben sich als potentielle Gäste aus oder nutzten den Mitnahmeeffekt anderer Gäste aus und betraten ungehindert den Rezeptionsbereich.

Technische Lösungen als Einzelmaßnahme können auch mit den Kenntnissen der Kriminalprävention ausgeschlossen werden, denn Videoüberwachung als Präventionsmittel verlangt einen nicht reisenden (z.B. Täterbanden), rational denkenden Täter, der das Ergebnis seiner Handlung abwägen kann. Bestimmte Tätergruppen, die beispielsweise auf das schnelle Geld aus sind (Suchtkriminalität) oder im Affekt handeln (Drogen, Alkohol, emotionale Ausbrüche), fallen aus diesem Cluster heraus.

Ein wirksamer Ansatz zum Schutz von Hotelbetrieben kann jedoch erreicht werden, wenn sich der Hotelbetreiber über die kriminologischen Einflussgrößen einer Straftat bewusst ist: Ein motivierter Täter mit subjektiver Rechtfertigung (Tätermotivation) benötigt bei einer geeigneten Tatsituation (Tatgelegenheit) ein potentielles Opfer, das ungeschützt ist (Schutz des Objektes). Diese gesamtheitliche Betrachtung hat den Vorteil, dass durch bestimmte Maßnahmenbündel der Anreiz einer Straftat deutlich gemindert wird.

So ein Maßnahmenbündel stellt das „Crime Prevention through environmental Design“ (CPTED) dar, das Kriminalitätsrisiken durch Vermeidung von Anonymisierung und Aufbau von sozialer Kontrolle mindert. Bei diesem, in Deutschland relativ unbekannten Konzept, spielen die Faktoren Beleuchtung, Übersichtlichkeit der Umgebung (natürliche Überwachung), Freiheit von Müll, Graffiti und Isolation eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig ist die Abgrenzung des privatrechtlichen Schutzraumes (öffentlich/nicht-öffentlich) wichtig sowie das Bewusstsein der Verantwortlichen über die Lage und des sozialen Umfeldes.

Dieser wissenschaftliche Ansatz bedeutet nicht, dass Sicherheitstechnik vollständig ausgeschlossen wird, er verlangt eine umfangreiche Risikoanalyse mit dem Ergebnis eines zielgerichteten und auf das Hotel zugeschnittenen Konzepts. Dieses Mehrebenenmodell konnte durch die Ergänzung mit personellen und organisatorischen Ressourcen eine Reduzierung von Sachbeschädigungen und Verringerung von Einnahmeausfällen erreichen. Im Kern kann dieser gesamtheitliche Ansatz auch kostengünstiger als ad-hoc-Lösungen sein.

Technik wirkt immer nur unterstützend bei Sicherheitsmaßnahmen, doch kann sie niemals selber Sicherheit produzieren. Bauliche Aspekte widersprechen den grundsätzlichen Ansprüchen eines Hotels: offenes Gebäude, Gastkomfort, diskrete Sicherheit und schlussendlich den tatsächlichen Abläufen bestimmter Straftatstypen. CPTED setzt bereits außerhalb der Hausrechtsbereiches des Betriebes an und analysiert und bewertet die äußeren Einflüsse.

Demzufolge können dem Sicherheitsverantwortlichen eines Hotels folgende Schritte mit an die Hand gegeben werden:
1. Umfassende Risikoanalyse der Beherbergungsstätte, der Umgebung unter Einbeziehung von Experten
2. Schwachstellen und organisatorische Lücken erkennen (z.B. Höhe der Bargeldbestände)
3. Schutzziele definieren und den Mitarbeitern verständlich machen (Awareness-Kampagne)
4. Vorhandene Ressourcen zur Früherkennung nutzen (z.B. Sicherheitsschulungen)
5. Organisatorische, personelle und technische Maßnahmen aufeinander abstimmen
6. Sicherheitskonzept implementieren
7. Und entsprechend des PDCA-Lifecycle regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls anpassen

Parallel dazu sollte immer ein enger Kontakt zum nächsten Polizeiabschnitt und zu den Hotels der näheren Umgebung bestehen. Informationsaustausch heißt Wissensvorsprung und somit auch eine wirkliche Erhöhung der Sicherheit.

Über den Autor:
Florian HornFlorian Horn (24) ist als Führungskraft für ein privates Sicherheitsunternehmen tätig – als Sicherheitsberater für Hotels. Er erstellt Sicherheitskonzepte für Großveranstaltungen sowie Personaleinsatzführung. Parallel absolviert er sein Masterstudium Security Management an der FH Brandenburg mit dem Schwerpunkt Hotelsicherheit, Reise- und Auslandssicherheit sowie BCM. Der vorliegende Gastbeitrag ist eine Zusammenfassung aus seiner Semesterarbeit „Security Management für Hotelbetriebe“.