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Vapiano weiter unter Beschuss – Warum soll eine Gastronomie-Erfolgsmarke zerschossen werden?

Foto: Vapiano

Foto: Vapiano Berlin – Bei der “Welt am Sonntag” lassen sie nicht locker: Nun berichtet die Sonntagszeitung von Pasta mit “grünlichem Schimmer” und Arbeitsanweisungen, das Mindesthaltbarkeitsdatum an Desserts zu verlängern. Dies hätten Mitarbeiter berichtet und sogar mit eidesstattliche Versicherungen bezeugt. Bei Vapiano (160 Restaurants, 350 Mio. Euro Jahresumsatz) sei man “entsetzt” über diesen medialen Affront und betonte flugs per Pressemitteilung, dass man die Qualität der Speisen und Arbeitsabläufe von SGS Fresenius und vom TÜV Rheinland prüfen lasse.

Von Carsten Hennig

Wie kann das alles sein? Da waren die Berichte über Manipulationen an Arbeitszeitkonten, der “Scampi-Trick”. Nun harter Tobak: Etliche Rohwaren seine längst nicht mehr genießbar gewesen, soll ein “Vapianisto” ausgepackt haben. Greifen da die “freiwilligen” Hygienekontrollen nicht? Oder werden übliche Gastrotricks vor den angekündigten internen Checks kaschiert? Bei eigenen Inaugenscheinnahmen fiel vor Jahren auf, dass Kühlräume mit offenen Lebensmittelbehältern ruhig mal eine Weile lang offen stehen, es keine Rückstellproben gibt und in der Vorbereitungsküche mal eine Grundreinigung angebracht wäre. Alles Einzelfälle.

Alles Einzelfälle? Hygienemängel in der Gastronomie stehen schon länger im Fadenkreuz der Medien. Angesichts der letzten, erschreckenden Aufnahmen aus Burger-King-Restaurants lassen die Forderungen nach einer offiziellen Hygieneampel für das Gastgewerbe durchaus berechtigt erscheinen. Bei der Causa Vapiano indes fällt auf, dass ein Erfolgssystem aus Deutschland regelrecht zerschossen werden soll. Oder sturmreif. Fragt sich, für wen: L’Osteria, etwa?

Alles hanebüchen. Sagt auch der neue Vapiano-Chef Jochen Halfmann. Man stelle die Pasta täglich selbst her, es gebe nicht den “geringsten Grund, da etwas umzuettikettieren”, so sein Statement. Der Arbeitsdruck für die Restaurantbesatzungen ist aber sehr hoch, dass lässt sich allerorten beobachten. Da leitet eine Mittzwanzigerin ein Team von 30, 40 Leuten, “Vapianisti” an der Pizzastation kommen am Abend nicht von der Station weg und so mancher Pastaschwenker muss mehr flirten, als sich mit dem Garprozess beschäftigen.

Die größte Schwachstelle im Vapiano-System ist die Beliebigkeit der Mitarbeiter: Das System ist derart durchoptimiert, dass man offenbar Jedermann irgendwie anlernen kann. Wohlgemerkt: “Vapianisti” sind meist keine Fachleute, sondern überwiegend Hilfskräfte. Jeder, der Gastronomie von der Pike auf gelernt hat, weiß um die endlosen Schulungsarien in Sachen Warenkunde, Arbeitsprozesse und Umgang mit Lebensmittelhygiene (und persönlicher Sauberkeit).

Umsatz- und Kostendruck können da fatale Auswirkungen haben. Wer schnell triftige Probleme lösen muss, greift da vielleicht versehentlich tief in die verbotene Trickkiste (wie jüngst bei VW).

Vapiano wird es erst wieder richten können, wenn das Qualitätsmanagement die Personalfragen löst: Mehr selbst ausgebildete Restaurantfachleute der Systemgastronomie, ordentliche Köche, Manager mit langjähriger Gastronomieerfahrung. Auch Systemgastronomie braucht gute Profession; das weiß man längst beim Marktführer McDonald’s und Newcomern wie Hans im Glück. Vapiano kann, wird den Turnaround bewältigen, aber nur mit Fachwissen!

Zum Autor: Carsten Hennig (45) geht gerne essen, auch bei McD, HiG, BK und V. Seine Beobachtungen und Einschätzungen aus zahlreichen Hygienechecks und Restauranttests fließen in seine vielfältige Berichterstattung ein, u.a. als Chefredakteur von gastronomie & hotellerie und Anchorman von HOTELIER TV & RADIO. Widerspruch und konstruktive Kritik sind ihm willkommen: [email protected]