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A&O Hotels ./. holidaycheck.de – Analyse ergibt: Vorschnelle Pressemitteilung vom Gericht – Das letzte Urteil ist noch nicht gesprochen

(Berlin, 11. August 2011) Aufregung um eine Pressemitteilung: Die kürzlich vom Kammergericht Berlin verbreitete Verlautbarung über einen – abschlägig beschiedenen – Eilantrag des Hostel- und Hotelbetreibers A&O gegen HolidayCheck sorgt für Verwirrung. Hat das Gericht Bewertungsportalen wirklich einen „Freibrief“ erteilt, jede Bewertung ohne Prüfung und Nachforschung zu veröffentlichen? Es lohnt sich, die im Wortlaut veröffentlichte Entscheidung und die Hintergründe näher zu betrachten. Die Pressemitteilung erscheint dabei unvollständig und der Beschluss des Kammergerichts zumindest fragwürdig.

Was bei HolidayCheck zu wenig Begeisterung führen dürfte, findet sich gleich zu Beginn der Entscheidung: Ausdrücklich wird festgestellt, dass A&O und holidaycheck.de als Mitbewerber einzustufen sind. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass bei HolidayCheck nicht das „uneigennützige Verbraucherinteresse“ im Vordergrund steht, sondern der Verkauf von Reisen und die Attraktivität seines gewerblichen Online-Angebots – vulgo: der Kommerz.

Damit sind auch nach den Ausführungen des Gerichts die besonderen Fairnessregeln des Wettbewerbsrechts zwischen Hotelier und HolidayCheck anwendbar. Und zu diesen Regeln gehört es, dass man über den Betrieb eines Mitbewerbers keine geschäftsschädigenden Tatsachenbehauptungen verbreiten darf, solange die nicht erweislich wahr sind (§ 4 Nr. 8 UWG).

Auf diese Vorschrift hatte A&O seinen Eilantrag gestützt. Und wie sich aus dem Urteil ergibt, war es zwischen den Kontrahenten eigentlich ganz unstreitig, dass alle Voraussetzungen gegeben waren: Die Behauptung, das Zimmer sei von Bettwanzen befallen gewesen, war eine glatte Lüge, wie der sofort beauftragte Kammerjäger herausfand. Der Beitrag durchlief das Prüfverfahren bei der zum Burda-Konzern gehörenden HolidayCheck AG und wurde auf holidaycheck.de veröffentlicht.

Trotzdem hielt Kammergericht die Veröffentlichung dieser Bewertung für erlaubt, und zwar aus einem überraschenden Grund: Holidaycheck.de habe die Behauptungen der Nutzerin gar nicht verbreitet. Die Auffassung des Kammergerichts, die Veröffentlichung einer Hotelbewertung auf holidaycheck.de sei keine „Verbreitung“ im rechtlichen Sinne, sorgt nun für Kopfschütteln – sogar unter Juristen.

Der Berliner Rechtsanwalt Dr. Alexander Freiherr Knigge, der A&O in diesem Verfahren vertritt: „Was im Wettbewerbsrecht erlaubt und was verboten ist, lässt sich selten eindeutig dem Gesetz entnehmen. Hier haben wir ausnahmsweise eine ganz klare Vorschrift. Dass man über Mitbewerber keine unwahren Tatsachenbehauptungen verbreiten darf, ist eine Regel, die eigentlich keinen Spielraum für Interpretationen zulässt. Was ein „Verbreiten“ im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, steht für Juristen seit Jahren fest: Wenn ich einem Dritten die Möglichkeit gebe, von einer Behauptung Kenntnis zu nehmen, dann habe ich die Behauptung verbreitet. Egal, wie das im Einzelnen passiert ist.“

Obwohl für das Kammergericht feststand, dass die Bewertung bei holidaycheck.de veröffentlicht war, einem Portal, das laut Urteil 12,7 Millionen Nutzer pro Monat besuchen, hat HolidayCheck die Bewertung nicht verbreitet. Das verstehe, wer will.

Wie in der Pressemitteilung zu lesen war, geht das Kammergericht weiter davon aus, dass das Bewertungsportal als Teledienstanbieter nicht verpflichtet sei, vor der Veröffentlichung von Hotelbewertungen Nachforschungen über deren Richtigkeit anzustellen. Auch diese Aussage muss man sich näher ansehen. Ist HolidayCheck überhaupt ein „Teledienstanbieter“? Nach einem erst kürzlich veröffentlichten Urteil des Europäischen Gerichtshofes über Markenverletzungen bei eBay kann diese Privilegierung nur der für sich in Anspruch nehmen, wer als neutraler, technischer Vermittler Informationen nur speichert oder durchleitet. Wer eine „aktive Rolle“ spielt, bleibt verantwortlich für das, was er auf seinem Portal veröffentlicht. Und HolidayCheck ist nicht nur Wettbewerber des Hoteliers, wie das Kammergericht selbst feststellt. Seit der jüngst eingeführten „Deals“ verkauft das Unternehmen auch selbst Reisen und nutzt die Hotelbewertungen zu eigenen Werbezwecken. Es ist fraglich, ob die Aussage des Kammergerichts, das Bewertungsportal müsse vor der Veröffentlichung dir Richtigkeit der Nutzerbeiträge nicht erforschen, vor diesem Hintergrund Bestand haben kann.

Zu einer Korrektur besteht bald Gelegenheit. Denn die jetzt veröffentlichte Entscheidung ist nur vorläufig. „Es handelte sich um ein Eilverfahren, in dem keine Entscheidung über den endgültigen Unterlassungsanspruch zu treffen war. Die Hauptsacheklage ist noch beim Landgericht Berlin anhängig, über sie ist noch nicht entschieden“, so Knigge. Auch an anderen Gerichten wehren sich Hotels der A&O Gruppe gegen unwahre Behauptungen via HolidayCheck. Rechtsanwalt Knigge: „Das Bild ist vollkommen unterschiedlich. Ebenso deutlich, wie das Kammergericht unseren Eilantrag abgelehnt hat, scheinen andere Gerichte unserer Argumentation folgen zu wollen. Eine Klärung wird sich letztlich wohl nur durch den Bundesgerichtshof erreichen lassen.“

Worum ging es? A&O fand bei holidaycheck.de eine Bewertung, in der ein Gast sich über Bettwanzen, Dreck, schlechte Matratzen und anderes beklagte. Der Vorfall konnte rasch zugeordnet werden. Tatsächlich hatte eine Reisegruppe sich kurz zuvor über Bettwanzen beschwert. Vier Zimmer wurden zur besten Urlaubszeit sofort gesperrt und konnten ein Wochenende lang nicht vermietet werden. Der am darauffolgenden Montag herbeigerufene Kammerjäger hat allerdings in keinem der Zimmer einen Bettwanzenbefall festgestellt. Die Reisegruppe wurde entsprechend informiert, die unter Androhung schlechter Presse erhobene Schadensersatzforderung abgelehnt. Offenbar aus Ärger darüber erfolgte die „Rachebewertung“ auf holidaycheck.de.