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Bekenntnisse eines Hoteliers: Fachkräftemangel in der Hotellerie ist hausgemacht – Ausbildungsqualität sinkt weiter – Gesetzesverstöße an der Tagesordnung

(Hamburg, 16. Juli 2014) Die Radio-Reportage bei HOTELIER TV & RADIO schlug ein wie eine Bombe: Ein ehemaliger Auszubildender des Maritim Hotels Frankfurt/Main berichtete von unhaltbaren Ausbildungsbedingungen und sehr harschem Umgang mit Nachwuchskräften. Nun überrascht ein Hotelier* mit erschreckenden Bekenntnissen. Nachfolgend geben wir die Innenansichten aus einer notleidenden Branche wieder:

Fachkräftemangel - Wortgitter

„Der Fachkräftemangel in der Hotellerie ist ein vielschichtiges Problem. In Babyboomerzeiten hatte man die Auswahl – Bewerber mit Abitur waren angesagt. Diese Bewerber sind aber häufig ausgestiegen, weil sie enttäuscht waren auf Grund der Qualität der Ausbildung und der Ausbilder selbst. Die sind dann doch lieber studieren gegangen . Oftmals haben Betreibe gerade mal eben genug Ausbilder mit Eignungsprüfung! Diese sehen dann ihre Schützlinge in der Regel nur bei der Unterschrift zum Ausbildungsnachweis. Ansonsten werden sie häufig von Abteilung zu Abteilung geschoben, ohne dass der Ausbilder sich um sie direkt kümmert.

Auch ist richtig, dass Azubis häufig als ‘billige’ Arbeitskräfte genutzt werden und jeden Tag in eine andere Abteilung geschoben werden, um Defizite auszugleichen. Das stinkt vielen natürlich. Und dabei kommt natürlich eine erheblich hohe Arbeitsleistung am Tag zusammen: Immer wieder Schichtdienste, Wochenendarbeit und Feiertagsarbeit, was natürlich nicht sehr beliebt ist.

„Arbeitszeitüberschreitungen und Verstöße
gegen die Arbeitsgesetze
sind leider häufig an der Tagesordnung.“

Arbeitszeitüberschreitungen und Verstöße gegen die Arbeitsgesetze sind leider häufig an der Tagesordnung.
Erschwerend kommt hinzu, dass heute die Rekrutierung erheblich schwerer ist . Bedingt durch den demographischen Wandel ist die Zahl der Bewerber erheblich zurückgegangen. Dies ist natürlich auch in allen anderen Branchen so, so dass Dienstleistungen, wie sie in der Hotellerie geleistet werden müssen, nicht angesagt sind und nicht gefragt sind. Versicherungen, Banken, Studium etc. sind natürlich besonders willkommene Alternativen.

Auch die Aufstiegsmöglichkeiten in der allgemeinen Wirtschaft sind wesentlich besser als noch vor vielen Jahren. Warum also sollte man sich einen Dienstleistungsberuf aufhalsen? Ergo: die Qualität der Bewerber aufgrund ihrer Schulbildung sinkt.

Das nächste Problem ist die schlechte Bezahlung. Natürlich, aufgrund der dünnen Besetzungen, sind schnell Karrieren gemacht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein 25-Jähriger schon nach einigen Jahren Berufspraxis Direktor eines Hotels werden kann, ohne weitere Qualifikation. In dieser Sphäre sind auch die Gehälter ganz ordentlich. Das genau versucht ja die Hotellerie immer wieder klarzumachen, dass schnelle Karrierechancen da sind und dass man in der ganzen Welt arbeiten kann. Dies jedoch kann man in allen anderen Branchen aber auch, die Welt ist international vernetzt! Nur die Global Player unserer Branche (z.B. Hilton, Marriott Wyndham, IHG, Starwood Hotels und andere) verkörpern noch diesen weltweiten Glamour und haben in der Regel keine Rekrutierungsprobleme – ganz im Gegenteil! Aber kleine und Mittelstandsbetriebe in Deutschland beispielsweise haben große Schwierigkeiten. Ich bin sicher, dass viele aufgeben müssen.

Also, was ist zu tun? Deutlich besseres Gehaltsniveau, deutlich bessere Führungskräfte, deutlich klarere und bessere Ausbildungsinhalte für die, die einmal Führungskräfte werden wollen, und die die Branche braucht. Programmierte Teilqualifikation, wie ich es nenne, in Teilarbeitsbereiche von reinen Dienstleistungsbereichen wie Service, Housekeeping, ggf. Küche etc. für den breiten Arbeitsmarkt auf Ebene von Teilzeitjobs für Menschen, die nicht Fulltime arbeiten können, und gegebenenfalls auch nicht in ihren gelernten Beruf zu können, da sie nur eine begrenzte Zeit zu Verfügung haben. Man denke hier zum Beispiel an die große Zahl der Mütter, die mit Mitte/Ende 30 wieder in Jobs zurück wollen, beziehungsweise auch zum Haushalt etwas dazu verdienen wollen.

Dieser Markt ist sehr groß und will bedient werden. Viele Systemgastronomen machen es uns bereits erfolgreich vor. Diese Teilqualifikation hat auch weitere große Vorteile: Man kann sehr flexibel auf die Zeitwünsche der Arbeitnehmer eingeben, wenn man  ein entsprechend quantitatives Potenzial zur Verfügung hat und man kann auch den starken saisonalen Schwankungen besser Rechnung tragen. Habe ich selbst schon erfolgreich praktiziert!

* Name der Redaktion bekannt