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Frischfleisch oder Lifestyle – Ernährung ist eine Religion – Alles veggie oder was?

Vegetarisch ernähren

Von Carsten Hennig

Vegetarisch ernährenMedien geben nur bedingt ein reelles Bild der Wirklichkeit wieder. All die Schlagzeilen um vegetarischen oder gar strenggläubig-veganen Ernährungstrend haben – bei Lichte betrachtet – wenig mit den Fakten zu tun. Rund 5,3 Millionen Deutsche verzichten “weitestgehend” auf Fleisch, vor zwei Jahren waren dies laut Statista noch 7,5 Millionen. Wenn nun tatsächlich der Anteil der Veggies an der Gesamtbevölkerung zurückging (was freilich der Interessensverband Vebu mit ganz anderes Zahlen zu widerlegen vesucht), warum berichten dann alle Redaktionen dieser Welt so überdeutlich über den ach so wichtigen Trend zu Vegetarismus?

Völlig zu Recht monierte unlängst der Medienmanager eines hochauflagigen Magazins aus Berlin diese augenscheinliche, mediale Schieflage. Nötig sei, sei sein männliches Credo, eine Art “Fleischfinder”, ein Lifestyle-Hedonisten-gerechtes Onlineverzeichnis für “Beef”-Restaurants. Frischfleisch – und jetzt erst recht! Trendige Genusszeitschriften wie “Beef” zeugen davon, dass jeder Trend einen Gegentrend aufwirft. Selbst die langjährige Chefredakteurin des 40 Jahre Special-Interest-Magazins “Der Feinschmecker” bleibt da nicht neutral, sondern konstatiert, Vegetarismus und vegane Diktion habe nichts mit Ernährung zu tun, sondern seien Religion.

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Wer es tatsächlich wagt, Postillen wie “Vegan World” zu lesen (gibt es in gut sortierten Bio-Supermärkten), kann erahnen, dass Veggies mehr mit Sendungsbewusstsein, Friedensaktivismus und intensiver Körpererfahrung (“Das schmeckt wie ein Ei”, “Gemeinsam ackern für den Weltfrieden”, “Der vegane Körper”) zu tun haben, als übergewichtige, bajuwarische Schützenfestler bei Bier und Weißwurst im Wiesn-Zelt. Die Auseinandersetzung mit mehrfach gesättigten Fettsäuren, Vitamin-Bruckstücken und Zink-Rückständen wird vielleicht von der Gegenseite als Spaßbremse für ungezügelte Lebensfreude und Genussfreudigkeit gebrandmarkt. Intuitiv jedoch tun diese zu Unrecht angeprangerten Gutmenschen das Richtige. Zumindest manchmal. Oder immer öfter.

Glaubenskämpfe wie Rechts und Links, Ffleischfresser und Soja-Milch-Trinker werden in den Ringkämpfen der Neuzeit, den Blogs, Fanpages und Hasskommentaren ausgetragen. Zur Sachlichkeit trägt dies indes kaum bei.

Wer in den 1970er Jahren aufwuchs, braucht nicht an die Bedeutung des Sonntagsbratens erinnert zu werden. Gutes Fleisch für die Familie war schon damals lieb und teuer. Interessant ist, dass just diese Wertschätzung heute auch in normalen, unideologisch geführten Kindergärten wieder Einzug gehalten hat: Einmal pro Woche Fleisch, einmal Fisch, sonst viel Gemüse und frisches Obst. So kann gesunde Ernährung aussehen. Unglücklich nur, dass man all das schnell wieder als Jugendlicher oder junger Erwachsener vergisst…

Ein wenig auf den Teppich der Tatsachen zurück bringt uns der großstädtische Trend zu arabischen Speisen. Nein, nicht Döner! Klassische arabische Speisen wie Falafel (in Öl gebackene Gemüse-Teigbällchen) mit Hummus (fein aufgeschlagenes Kichererbsenpürree) sind eine Wohltat – und zum Beispiel im Trend-Szene-Restaurant der levantinischen Küchenzauberin Haya Molcho im ultracoolen 25-Hours-Hotel in Berlin ein Knaller.

Just die syrische Küche – nun zusätzlich hunderttausendfach als Gusto ins Land getragen – hat diese deutsche Gastronomie-Szene seit vielen Jahren vereinzelt bereichert. Wer am Abend die Menüfolge von bis zu 30 Mazza – arabisch für “Tapas” – genießen durfte (wie im gleichnamigen Restaurant in Hamburg-Eimsbüttel), hat einen (kleinen) Gourmet-Gipfel errungen.

Dabei gab es auch Hammelfleisch, natürlich “halal” (was im Jüdischen “koscher” ist). Der muslimische Grundsatz den betäubungslosen Schlachtens (Schächtung) wird in Deutschland grundsätzlich untersagt und nur in Ausnahmefällen genehmigt. Mit dem zeitgemäßen Verständnis von Tierschutz und “Flexitariern” (Gelegenheits-Vegetariern) deckt sich das eher nicht. Zum Glück zeigen sich Muslime in der deutschen Diaspora flexibel genug, ihre Glaubensgrundsätze, die vom Vatikan soweit entfernt sind, wie ein Wochenend-Trip nach Mallorca, anzupassen.

Die beste Symbiose, ganz ohne Grabenkämpfe zwischen Fleisch-Liebhabern und Veggie-Jüngern, die beim Grillabend allenfalls Artischocken aufs Rost legen, ist in der real-deutschen Ernährungsgesellschaft die türkische Küche (oder das, was hierzulande davon feilgeboten wird) zu erfahren. Die Dönerkönige von Berlin haben sich das zu Nutze gemacht und ein Vermögen verdient. Und dann in ihrem sündhaft teuren Titanic Grand Hotel nahe dem Gendarmenmarkt ein smartes Steak-Restaurant mit Feingeist eingerichtet – samt Fleisch-Vitrine mit gut abgehangenem Prime Breef.

Merhaba und Bon Appétit!

Good Morning, Hoteliers (13) – Hotelmanagement mit HOTELIER TV & RADIO - Neuer Wochengruss von Carsten Hennig: http://www.hoteliertv.netÜber den Autor: Carsten Hennig (44) greift gerne zu “Tafelspizz” und Speerspitzen, zumindest im medialen Sinn. Als Fachautor und TV-Berichterstatter sieht er oft “befind the curtains” in der Spitzengastronomie und Tophotellerie. Aktuelle Berichten von ihm lesen Sie bei gastronomie & hotellerie sowie sehen und hören Sie bei HOTELIER TV & RADIO.