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Verwirrung um Hygiene-Ampel: Entscheidung erst im September – Freiwillige Lösung zeichnet sich ab

UPDATE (Hamburg, 13. Juni 2012) Foodwatch sagt nicht alles: Der Hinweis der Verbraucherschutzorganisation vom Sonntag, die Hygiene-Ampel für Gastronomiebetriebe stünde vor dem Aus, ist so offenbar nicht richtig. Bei einem Treffen der Wirtschafts- und Verbraucherschutzminister der Bundesländer im Mai in Hamburg wurde beschlossen, mehrere neue Vorschläge intern zu diskutieren und bis September einen Kompromiss zu formulieren. Diskutiert werde eine andere Symbolik als der bisher favorisierte Kontrollbarometer, heißt es aus der federführenden Behörde für Verbraucherschutz der Hansestadt. Zudem tendiere die Meinung der Verbraucherschutzminister gegen eine bundeseinheitliche Regelung. Damit werde eine sog. freiwillige Lösung wahrscheinlicher. Das heißt, die Gastronomen könnten selber entscheiden, ob sie die Ergebnisse der unregelmäßigen staatlichen Lebensmittelkontrollen veröffentlichen.

Geplantes Hygiene-Kontrollbarometer noch vor dem Start auf dem Prüfstand: Andere Symbolik und "freiwillige Lösung"?
Geplantes Hygiene-Kontrollbarometer noch vor dem Start auf dem Prüfstand: Andere Symbolik und “freiwillige Lösung”?

Doch die nun offenbar favorisierte sog. freiwillige Lösung bedeute nicht zwingend, dass alle Bundesländern dies auch so umsetzen, so ein Behördensprecher gegenüber KOCHWELT. Es könne durchaus sein, dass in manchen Bundesländer die Veröffentlichung der staatlichen Kontrollen zur Pflicht werde. Das würde sich erst in der Zukunft zeigen.

Foodwatch hatte nach eigenen Angaben aus einem internen Protokoll des Ministertreffens zitiert: “Die Vertreter der WMK (=Wirtschaftsministerkonferenz) machten deutlich, dass nur eine fakultative Veröffentlichung mitgetragen werden kann. Ein obligatorisches System wird abgelehnt. Vor diesem Hintergrund verständigt sich die AG darauf, eine Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Kontrollsystemen auf freiwilliger Basis weiterzuverfolgen. Hierbei entscheidet der einzelne Unternehmer, ob er die Kontrollergebnisse bekannt macht.” Dies interpretierte man bei Foodwatch so: “Ein Beschluss, der de facto das Aus für die Hygiene-Ampel bedeutet.” Gegen diese Aussage wendet man sich in der Konferenz-führenden Hamburger Behörde strikt. Die Betitelung “Falschmeldung” in einer vorherigen Fassung des Artikels rief Martin Rücker, den Leiter der Pressearbeit von Foodwatch auf den Plan. Er forderte die Redaktion auf, die “entsprechenden Formulierungen (wie ‘Falschmeldung’), die den Eindruck widergeben, dass Foodwatch sachlich nicht korrekte Informationen verbreitet, unverzüglich von Ihrer Seite zu entfernen”.

Das nach dänischem Vorbild geplante Hygiene-Kontrollbarometer fand nicht in allen Bundesländern Widerhall. In Bayern beispielsweise wandte man sich deutlich dagegen. Auch im Dehoga-Bundesverband schießt man aus allen Rohren dagegen und verweist auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Laut Gesetz muss jeder Gastbetriebe mindestens einmal im Jahr auf Einhaltung der Hygienebestimmungen geprüft werden. Doch in der Praxis werde gerade einmal jeder zweite Betriebe im Jahr kontrolliert, etliche davon mehrfach, weist die Berliner Sachverständige und Lebensmittelchemikerin Christina Rempe hin. Die Fachjournalistin für Lebensmittelrecht hat jüngst ihr Fachbuch zum „Lebensmittelkennzeichnungsrecht“ veröffentlicht und genießt u.a. beim führenden Kontrollinstitut SGS Fresenius sowie in staatlichen Fachkreisen hohes Ansehen. Jeder der bundesweit 2.500 staatlichen Lebensmittelkontrolleure könne im Jahr gerade einmal 372 Betriebe checken. Zu wenig, meint Expertin Rempe. Denn insgesamt seien über 75.500 Betriebe zu prüfen. In Dänemark würden über 73 Prozent der Gastbetriebe regelmäßig geprüft – und nicht nur knapp 45 Prozent, wie in Deutschland.

Ob staatliche Hygiene-Ampeln überhaupt noch sinnvoll sind, scheinbt indes fraglich. Denn: Hygieneverstöße in der Gastronomie und Hotellerie geraten nun mehr dennje ins öffentliche Licht. Mit der Novellierung des sog. Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) müssen schwerwiegende Verstöße gegen Hygienevorschriften veröffentlicht werden. Die neuen Regelungen treten am 01. September in Kraft. Darauf macht der auf Hygiene und Sicherheit spezialisierte Hotel- und Gastronomieberater Ulrich Jander aufmerksam. „Damit wird der vielfach diskutierten und immer noch nicht fertig geplanten Hygieneampel vorgegriffen“, so Jander. Das seit 2007 geltende Verbraucherinformationsgesetz verpflichtet Behörden Verstöße gegen Hygienevorschriften, wenn ein Bußgeld von mindestens 350 Euro zu erwarten ist, veröffentlichen müssen. Zwar müssen die betroffenen Unternehmen vorher grundsätzlich angehört werden. Aber bei Gefahr im Verzug seien Ausnahmen gestattet. „Steht die Gesundheit von Gästen und Mitarbeitern auf dem Spiel, werden Behörden handeln“, prophezeit Jander. Der erfahrene und aus dem TV bekannte Hotel- und Gastroexperte hat bereits etliche Krisenfälle in Sachen Sauberkeit und Hygiene erlebt. Immer wieder sorgen Ekelbilder auch aus namhaften Restaurants und Hotels für Furore.

Gastro Smiley: Führendes Zertifikat für Sauberkeit und Hygiene im Gastgewerbe
Gastro Smiley: Führendes Zertifikat für Sauberkeit und Hygiene im Gastgewerbe

Mit der Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes werden die Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern auch über Unternehmen im Gastgewerbe und der Lebensmittelproduktion sowie -verarbeitung weiter ansteigen, so Jander. Denn sämtliche Verbraucheranfragen an Behörden bis zu einem Verwaltungsaufwand von 250 Euro sind ab Herbst kostenfrei. Liegt ein Rechtsverstoß bei einem Unternehmen vor, sind die Anfragen sogar bis zu einem Betrag von 1.000 Euro gratis.

Betroffene Unternehmen müssen nun noch schneller reagieren. „Die Behörden dürfen ab September Rechtsverstöße zügiger als bisher veröffentlichen“, berichtet Jander. Dadurch können gerade inhabergeführte Unternehmen im Gastgewerbe im Krisenfall zeitlich noch mehr unter Druck geraten.

Jander empfiehlt allen Betrieben in Hotellerie und Gastronomie, regelmäßig sich auf einwandfreie Sauberkeit und reibungslose Abläufe im HACCP-Management prüfen und zertifizieren zu lassen. Der aus dem TV bekannte „Hotelchecker“ Ulrich Jander vergibt ein bundesweit gefragtes Siegel für Sauberkeit in der Gastronomie. Mit dem „Gastro-Smiley“ signalisieren die geprüften Gastbetriebe gegenüber ihren Gästen, dass sie regelmäßig und fundiert in Sachen Hygiene gecheckt werden.