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Was Roboter heute schon alles können: Übernehmen Androiden bald die Küche? Über Automatisierung in Hotellerie und Gastronomie

Noch macht PR2 Popcorn. Doch an der Universität Bremen erforschen Robotiker wie "Personal Robots" leichte Aufgaben im Alltag sicher und zuverlässig übernehmen können / Foto: Pressedienst Bremen

Bremen/Berlin – Die Automatisierung treibt ihre Blüten: Gäste werden längst von Robotern eingecheckt und betreut, so in dem japanischen Freizeithotel “Henn-na”, den Aloft Hotels oder an Bord der Aida-Kreuzfahrtschiffe. Automatisierte Check-ins via Terminal wie bei den Novum Hotels und per Smartphone die Zimmertür öffnen (wie bei den Ruby Hotels oder Prizeotel), gehört zum neuen Standard. Doch nun forschen Wissenschaftler daran, wie sie einen ganz anderen, branchenübergreifenden Bereich mit Robotertechnik bestücken können – die Küche.

Ein Roboter macht Popcorn
Noch macht PR2 Popcorn. Doch an der Universität Bremen erforschen Robotiker wie “Personal Robots” leichte Aufgaben im Alltag sicher und zuverlässig übernehmen können / Foto: Pressedienst Bremen

Noch macht er Popcorn in einem Forschungslabor an der Universität Bremen. Doch in naher Zukunft könnten sich Roboter wie “PR2” in Haushalten oder Chemielaboren nützlich machen.

Schnelligkeit ist nicht gerade seine Stärke. Gemächlich lässt “PR2” seinen rechten Arm sinken. Sein metallener Greifer umschließt den Rand einer kleinen Schüssel mit Maiskörnern und hebt sie hoch. Sekundenlang verharrt “PR2” in dieser Position, den Arm angewinkelt. So, als müsse er erst nachdenken, welche Schritte er als Nächstes ausführen soll: Kopf gerade ausrichten, langsam an den Herd heranfahren und dann die Schüssel auf Höhe des Topfes bewegen, der bereits auf der Herdplatte steht.

Plötzlich stoppt der Arm, ruckartig kippt er die Schüssel zur Seite. Mit Schwung prasseln die Maiskörner in den Topf. Jetzt nur noch die Platte einschalten, Deckel drauf und warten, bis das Getreide gepoppt ist. Hören kann “PR2” das allerdings nicht. Der Roboter muss warten, bis die ihm zuvor einprogrammierte Zeit abgelaufen ist.

“PR2” ist ein Vertreter der zweiten Generation des “Personal Robot” (persönlicher Roboter). Der rund 200 Kilogramm schwere Koloss hat offensichtlich schon ziemlich oft Popcorn in der improvisierten Küche des Forschungslabors im Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen zubereitet. Denn Michael Beetz und seine Mitarbeiter greifen nur widerwillig zu den weißen Flocken, die der Roboter ihnen wenige Minuten später warm und frisch gesalzen präsentiert. Die Begeisterung für die Leistung der Maschine ist beim Informatikprofessor Beetz aber ungebrochen – und deutlich anzusehen: Der 54-Jährige strahlt übers ganze Gesicht.

Assistent für Haushalt und Labor
Michael Beetz gilt nicht nur als einer der profiliertesten deutschen Robotik-Forscher. Der Bremer Hochschullehrer ist auch ein leidenschaftlicher Mann seines Fachs. Seit 2012 koordiniert er “RoboHow”, ein EU-finanziertes Projekt. Neben dem zwölfköpfigen Team des TZI sind daran weitere Einrichtungen aus Forschung und Industrie in Belgien, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Schweden und der Schweiz beteiligt. Ihr Ziel: Roboter sollen lernen, einfache Aufgaben sicher und zuverlässig auszuführen.

Auf diese Weise könnten sie dann beispielsweise ältere Menschen zu Hause unterstützen. Sie wären in der Lage, ihnen die Fernbedienung zu reichen, ein Glas Wasser aus der Küche zu holen oder einfache Mahlzeiten zuzubereiten. Neben Popcornmachen übt sich “PR2” bereits im Backen von Pfannkuchen – inklusive Wenden. “Ältere Menschen könnten mit Hilfe von Robotern länger selbstständig in ihren eigenen vier Wänden leben”, sagt Michael Beetz. Er ist überzeugt, dass Maschinen wie “PR2” das Leben vereinfachen und Menschen unabhängiger machen – so wie es die Waschmaschine oder das Auto getan haben. Und das bereits in naher Zukunft: In zehn Jahren, so Beetz, könnten die Maschinen leichte Aufgaben im Alltag übernehmen.

Aber nicht nur im Haushalt, sondern auch in Laboren soll sich “PR2” nützlich machen. Als selbstständig handelnder Assistent könnte er Krankheitserreger oder chemische Proben untersuchen, die für den Menschen gefährlich sind. Die ersten Tests laufen bereits.

Komplexe Bewegungsabläufe
Auf einem Monitor beobachtet der wissenschaftliche Mitarbeiter Gheorghe Lisca, wie “PR2” Flüssigkeit mit einer Pipette aus einem Gefäß entnimmt und sie in ein Reagenzglas umfüllt. Die Bilder liefert “PR2” über die Kameras, die auf Augenhöhe angebracht sind. Sie zeigen allerdings kein reales Bild vom Labortisch, sondern eine grobkörnige, grafische Darstellung. Dreidimensional “sehen” kann der Roboter nicht: “Die Sensoren helfen ihm, die Raumtiefe zu messen und Entfernungen abzuschätzen”, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter. Daraus berechnet “PR2” dann sein Weltbild.

Diese Aufnahme ist aber alles andere als detailgetreu. Beim Versuch, mit der Pipette die Reagenzgläser in einem Ständer zu füllen, stößt “PR2” das Gestell um. Das Problem: Die Bilder der Sensoren sind so “verrauscht”, dass die kleinen Öffnungen im Ständer für die Maschine gar nicht erkennbar sind. Die Folge sind grobmotorische Ungenauigkeiten, an welchen der Roboter und vor allem seine menschlichen Kollegen noch arbeiten müssen.

Damit “PR2” überhaupt Reagenzgläser füllen, Herdplatten einschalten oder Pfannkuchen wenden kann, ist er entsprechend programmiert. Jede Bewegung muss in einzelne Schritte untergliedert werden. “Vieles, was wir Menschen tun, machen wir unbewusst”, sagt Michael Beetz. “Dabei sind es eigentlich komplexe Bewegungsabläufe.” Strecken, greifen, anwinkeln, drehen – all diese Minibewegungen von Hand und Arm muss der Roboter in der richtigen Reihenfolge und der optimalen Kraft ausführen, damit er eine Schublade öffnen und einen Topfdeckel entnehmen kann. Dazu kommen physikalische Gesetze: Um eine bestimmte Menge Mais aus einer Schüssel in den Topf rieseln zu lassen, muss der Roboter wissen, wie hoch er die Schüssel halten und in welchem Winkel er sie neigen muss.

Kontext statt Wortlaut
Bislang wissen Roboter solche Dinge, weil Menschen sie ihnen eingegeben haben. Am TZI arbeiten die Wissenschaftler daran, dass sich die Maschinen Bewegungen abgucken und nachahmen können, sei es von seiner unmittelbaren Umgebung oder aus Video-Gebrauchsanleitungen. Die Doktorandin Zhou Fang zeigt “PR2” in einer virtuellen Umgebung, wie er in bestimmten Situationen seinen Arm bewegen soll. Mit einem Joystick simuliert sie die Bewegungen – wie in einem Computerspiel. Langfristig soll “PR2” auch selbstständig lernen können. Er soll Anleitungen selber lesen, einen Plan entwickeln und diesen umsetzen. Übungsmaterial gibt es genug: Das Internet ist voller Koch- und Backrezepte, Gebrauchsanweisungen, Bedienungsanleitungen oder Handwerker-Videos.

Doch was für einen Menschen ein Kinderspiel ist, stellt für einen Roboter häufig ein Problem dar. “Wir können den Roboter mit Wissen füttern”, sagt Michael Beetz. “Die große Frage ist, wie ein Roboter die Informationen selbstständig ergänzen kann, die ihm fehlen.” Bislang verstünden die Maschinen nur den Wortlaut einer Anweisung. Den Kontext könnten sie nicht begreifen – für den Robotik-Fachmann die größte Herausforderung.

Auf der Suche nach Lösungen verlassen sich die Bremer Forscher nicht nur auf ihr eigenes Knowhow. Auf einer Internetplattform teilen sie seit neuestem ihre Erkenntnisse mit internationalen Wissenschaftlern, Roboterforschern und der interessierten Öffentlichkeit. Nutzer können die Fortschritte der Bremer Forscher mitverfolgen, auf die Datensätze zugreifen und verwenden. “Unser Ziel ist eine offene Forschung”, sagt der Bremer Professor. “Wenn wir uns austauschen, erreichen wir schneller viel mehr, als wenn jeder sein Wissen nur für sich behält.”